Die Freie Universität Berlin ist in die Kritik geraten, doch neue Entscheidungen des Arbeitsgerichts Berlin legen nahe, dass einige Abmahnungen unberechtigt waren. Mitglieder der ver.di-Betriebsgruppe hatten im Internet scharf kritisiert, dass die Hochschule tarifwidrig, mitbestimmungsfeindlich und antidemokratisch agiere und damit scheinbar Rechtsruck sowie den Aufstieg der AfD begünstige.
Unter anderem rügten sie die Ausgliederung von Reinigungsarbeiten an Fremdfirmen, behaupteten, dass tarifliche Zuschläge nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt würden, und verwiesen darauf, dass ein verwaltungsgerichtliches Verfahren die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Personalrats anerkannt habe. Daraufhin verhängte die Universität mehrere Abmahnungen gegen ver.di-Mitglieder, wobei bereits im Mai eine erste Abmahnung vom Arbeitsgericht als unzulässig erklärt worden war.
Zweite Gerichtsurteile: Abmahnungen rechtswidrig
In zwei weiteren Fällen entschied das ArbG Berlin nun zugunsten der Betroffenen: Gegen zwei weitere Mitglieder der ver.di-Betriebsgruppe seien die Abmahnungen rechtswidrig, weil keine Verletzung der Nebenpflicht zur Rücksichtnahme vorliege. Die Internetaussagen seien nicht unwahr, sondern trügen den Kern der Behauptungen: Die Ausgliederung von Reinigungsarbeiten, die damit verbundenen schlechteren tariflichen Bedingungen und die vermeintliche Nichtzahlung oder verspätete Zahlung von Zuschlägen seien real bestehende Umstände. Zudem sei zwar eine polemische, überzeichnete Kritik zu erkennen, doch seien die Äußerungen nicht anlasslos erfolgt und auch nicht darauf ausgerichtet, einzelne Präsidiumsmitglieder persönlich zu kränken.
Zum Vergleich: Ende 2024 bestand eine andere Entscheidung
Dieses Ergebnis unterscheidet sich von einer früher gefassten Entscheidung zum selben Thema Ende 2024: Damals hatte das ArbG Berlin-Brandenburg geurteilt, dass ein Arbeitnehmer durch seinen Aufruf die Rücksichtnahmepflicht verletzt habe und daher die Abmahnung akzeptieren müsse. Diese Entscheidung wurde jedoch vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg revidiert: Auch in diesem Fall müsse die Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden. Die aktuelle Entwicklung stärkt damit die Position der ver.di-Mitglieder, die Kritik an der Universität im Netz geäußert hatten, und zeigt erneut, wie sensibel der Spagat zwischen freier Meinungsäußerung und den Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis ist.
Schlussfolgerungen für Blogleser
Für Blogleser bedeutet das: Die Grenze zwischen legitimer Kritik und arbeitsrechtlich relevanten Pflichten ist fein. Solche Urteile legen nahe, dass polemische, aber sachbezogene Kritik, sofern sie faktische Kernbehauptungen nicht bestreitet und nicht persönlich angreifend wirkt, eher geschützt sein kann. Gleichzeitig bleibt wichtig, dass inhaltliche Behauptungen gut belegbar sind und der Kontext der Arbeitsbedingungen sowie der Mitbestimmung korrekt wiedergegeben wird. Gewerkschaften und Arbeitgeber werden diese Entwicklung weiter aufmerksam verfolgen, insbesondere im Hinblick auf Abmahnpraxis bei öffentlich geäußerter Kritik im Netz und die Balance zwischen freier Meinungsäußerung sowie betrieblichen Schutzpflichten.
Sollten auch Sie Probleme mit arbeitsrechtlichen Abmahnung haben, melden Sie sich gerne bei uns. Matthias Baring ist Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bochum und Umgebung.