Karlsruhe stärkt das Selbstbestimmungsrecht kirchlicher Arbeitgeber
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 29.09.2025 (Az. 2 BvR 934/19) ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aufgehoben. Im Zentrum steht die Frage, ob kirchliche Arbeitgeber bei Bewerbungen pauschal eine bestimmte Religionszugehörigkeit verlangen dürfen.
Hintergrund: BAG-Urteil schränkte kirchliche Freiheit ein
Im Jahr 2018 hatte das BAG entschieden, dass die Diakonie eine konfessionslose Bewerberin diskriminiert habe, indem sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Die Stelle verlangte laut Ausschreibung eine evangelische Kirchenmitgliedschaft. Das BAG sah darin eine ungerechtfertigte Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und verurteilte die Diakonie zur Zahlung von 9.800 Euro Entschädigung.
Entscheidung des BVerfG: Religionsfreiheit hat Vorrang
Das BVerfG stellte nun klar: Das BAG habe das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Diakonie aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV nicht ausreichend berücksichtigt. Die Güterabwägung im Rahmen des AGG sei verfassungsrechtlich unzureichend erfolgt.
Wesentliche Punkte des Beschlusses:
• Die Zweistufenprüfung zur Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts muss unionsrechtlich konkretisiert werden.
• Das Urteil des EuGH aus dem Vorlageverfahren ist verbindlich und kein Ultra-vires-Akt.
• Es bestehen keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen nationalem Verfassungsrecht und Unionsrecht.
Der Fall: Diskriminierung wegen Konfessionslosigkeit?
Die Klägerin, eine Sozialpädagogin aus Berlin, hatte sich 2012 auf eine Referentenstelle bei der Diakonie beworben. Die Ausschreibung verlangte evangelische Kirchenmitgliedschaft – die Bewerberin machte dazu keine Angaben. Sie wurde nicht eingeladen und sah sich diskriminiert. Das BAG gab ihr 2018 recht, gestützt auf eine EuGH-Entscheidung zur EU-Antidiskriminierungsrichtlinie.
Kirchen als bedeutende Arbeitgeber
Die Entscheidung betrifft hunderttausende Beschäftigte in Deutschland:
Organisation Mitarbeitende (ca.)
Evangelische Kirche 240.000
Diakonie 687.000
Katholische Kirche 180.000
Caritas 740.000
Die Diakonie hat ihre Richtlinien bereits angepasst: Seit Anfang 2024 ist die Kirchenmitgliedschaft nur noch dann Voraussetzung, wenn sie für die konkrete Tätigkeit „erforderlich und wichtig“ ist.
Bedeutung für das kirchliche Arbeitsrecht
Die Entscheidung des BVerfG bringt neue Klarheit für die Auslegung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Spannungsfeld mit dem AGG und dem Unionsrecht. Sie stärkt die Autonomie kirchlicher Arbeitgeber, setzt aber zugleich unionsrechtliche Maßstäbe für die Prüfung religiöser Anforderungen im Bewerbungsprozess.
Fazit: Religionsfreiheit versus Diskriminierungsschutz
Der Beschluss zeigt: Die Balance zwischen Religionsfreiheit und Diskriminierungsschutz bleibt komplex. Für kirchliche Arbeitgeber bedeutet es mehr Spielraum – aber auch die Pflicht zur sorgfältigen Prüfung, wann eine Religionszugehörigkeit wirklich „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ ist. durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht ändert sich auch das kirchliche Arbeitsrecht in Bochum. Wenn Sie Fragen haben, kommen Sie gerne auf uns zu. Matthias Baring ist ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bochum und Umgebung.