Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27. März 2025 (Az. 8 AZR 123/24) rückt die Rechte schwerbehinderter Bewerber erneut in den Fokus. Im Zentrum: Die Frage, ob Arbeitgeber durch das Unterlassen eines Vermittlungsauftrags an die Bundesagentur für Arbeit eine Diskriminierung gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) begründen. Das BAG bejaht dies grundsätzlich – auch bei Einzelbewerbungen.
Hintergrund: Bewerbung zu spät, aber rechtliches Signal klar
Ein schwerbehinderter Bewerber hatte sich bei einem IT-Unternehmenq beworben. Der Arbeitgeber hatte die Stelle jedoch bereits anderweitig besetzt, als die Bewerbung einging – konkret zwei Stunden zu spät. Dennoch stellte das BAG klar, dass allein der Verzicht auf einen Vermittlungsauftrag über die Arbeitsagentur ein rechtlich relevantes Indiz für eine Benachteiligung nach § 22 AGG darstellt. Die Bewerbung scheiterte im Ergebnis zwar am Timing, doch das Signal an Arbeitgeber ist deutlich.
Rechtspflicht nach § 164 Abs. 1 SGB IX
Private wie öffentliche Arbeitgeber sind verpflichtet, offene Stellen der Arbeitsagentur zu melden und einen Vermittlungsauftrag für schwerbehinderte Bewerber zu erteilen. Dies dient der gezielten Förderung schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben. Ein bloßes Einstellen der Stelle in die Jobbörse reicht nicht aus. Im konkreten Fall hatte das Unternehmen lediglich inseriert, aber keinen aktiven Vermittlungsauftrag erteilt.
Vermutungsregelung erleichtert Anspruch auf Entschädigung
Gemäß § 22 AGG reicht bereits ein Indiz aus, um eine Diskriminierung zu vermuten. Der Arbeitgeber muss diese Vermutung entkräften. Das BAG betonte, dass der fehlende Vermittlungsauftrag ein solches Indiz darstellt. Unternehmen, die gegen Förderpflichten verstoßen, laufen somit Gefahr, diskriminierungsrechtlich belangt zu werden – unabhängig vom finalen Ausgang des Bewerbungsverfahrens.
Zeitpunkt der Entscheidung über Besetzung entscheidend
Für eine Diskriminierung kommt es nicht auf den späteren Vertragsschluss an, sondern auf den Moment der endgültigen Entscheidung gegen den Bewerber. In diesem Fall lag dieser Zeitpunkt vor Eingang der Bewerbung – daher war keine unmittelbare Diskriminierung möglich. Das Gericht stellte jedoch klar, dass allein die Tatsache, dass die Stelle später formal noch ausgeschrieben war, nicht gegen den Arbeitgeber spreche.
Fazit: Klare Pflicht zur Inklusion bei Stellenbesetzungen
Auch wenn der Kläger wegen verspäteter Bewerbung keinen Anspruch auf Entschädigung hatte, stärkt das Urteil die Rechte schwerbehinderter Bewerber. Arbeitgeber sind gut beraten, ihre Pflichten gemäß SGB IX ernst zu nehmen. Denn die Rechtsprechung zeigt: Wird die Arbeitsagentur nicht ordnungsgemäß eingeschaltet, kann dies schnell den Verdacht einer Diskriminierung auslösen.
Sind auch Sie schwerbehindert und haben Probleme im Bewerbungsverfahren oder mit Ihrem Arbeitgeber? kommen Sie gerne auf uns zu, Matthias Baring ist Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bochum und dem Ruhrgebiet..