Tätowierungen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen – auch im beruflichen Umfeld. Doch was passiert, wenn gesundheitliche Komplikationen nach einem Tattoo zur Arbeitsunfähigkeit führen? Genau das erlebte eine Pflegehilfskraft, deren frisch gestochenes Unterarmtattoo sich entzündete, was zu mehreren Krankheitstagen führte. Ihr Arbeitgeber jedoch verweigerte die Entgeltfortzahlung – und das Gericht gab ihm recht.
Gesetzliche Grundlage: Entgeltfortzahlung nur bei unverschuldeter Krankheit
Die Arbeitnehmerin berief sich auf § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), der eine Lohnfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für bis zu sechs Wochen vorsieht – allerdings nur, wenn kein Eigenverschulden vorliegt. Die zentrale Streitfrage war daher: Trug die Arbeitnehmerin eine Mitschuld an ihrer Erkrankung?
Eigenverantwortung bei freiwilligen Körpermodifikationen
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied, dass der Frau ein Mitverschulden an ihrer Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen werden könne. Sie habe sich freiwillig tätowieren lassen und damit bewusst das Risiko einer Entzündung in Kauf genommen. Bei Komplikationsraten von bis zu fünf Prozent sei das Risiko nicht ungewöhnlich oder völlig fernliegend. Deshalb gelte eine solche Folge nicht als normales Krankheitsrisiko im Sinne des EFZG.
Vergleich mit Medikamentennebenwirkungen unterstreicht Gerichtsurteil
Um seine Entscheidung zu untermauern, zog das Gericht einen Vergleich: Auch Nebenwirkungen von Medikamenten gelten ab einer Wahrscheinlichkeit von einem Prozent als „häufig“. Damit sei die Entzündungsgefahr eines Tattoos keineswegs vernachlässigbar. Die Klage wurde abgewiesen – das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg in erster Instanz wurde bestätigt (Az. 1 Ca 278/24), ebenso das Berufungsurteil des LAG Schleswig-Holstein vom 22.05.2025 (Az. 5 Sa 284 a/24).
Fazit: Kein Lohn bei selbst verursachter Erkrankung
Das Urteil sendet ein klares Signal: Wer durch freiwillige Eingriffe – etwa Tätowierungen – eine Erkrankung riskiert, hat im Fall gesundheitlicher Komplikationen unter Umständen keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Arbeitgeber dürfen in solchen Fällen die Entgeltzahlung verweigern, wenn ein erhebliches Eigenverschulden vorliegt.
Haben auch Sie Fragen zur Entgeltfortzahlungpflicht? Melden Sie sich gerne bei uns, Matthias Baring ist der Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bochum und Umgebung.